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Betreiber von sozialen Netzwerken aus anderen EU-Staaten können nicht unbedingt verpflichtet werden, die Sperrung oder Löschung zu überprüfen.

Instagram und Facebook, die von der in Irland ansässigen Metagruppe betrieben werden, klagten gegen entsprechende neue Vorschriften aus dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Nach § 3b NetzDG muss eigentlich ein Gegenvorstellungsverfahren beginnen, wenn Nutzer und Facebook bzw. Instagram unterschiedliche Meinungen über eine Löschung vertreten. Dann muss die Plattform ihre Entscheidung überprüfen und das Ergebnis schriftlich begründen.

Nach Ansicht des Nordrhein-Westfälischen Oberverwaltungsgerichts ist Meta hierzu vorläufig nicht verpflichtet. Die Vorschrift verstoße nämlich gegen das alte Herkunftslandprinzip aus der E-Commerce-Richtlinie der EU aus dem Jahr 2000. Diese Vorschrift wurde aber inzwischen von der neuen Gesetzgebung überholt.

 

OVG NRW, 13 B 381/22.

Facebook verwendet Nutzungsbedingungen, die auch die Verarbeitung und Verwendung von Nutzerdaten vorsehen, die bei einer von der Facebook-Plattform unabhängigen Internetnutzung erfasst werden. Das Bundeskartellamt hat Facebook untersagt, solche Daten ohne weitere Einwilligung der privaten Nutzer zu verarbeiten. Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass dieses Verbot vom Bundeskartellamt durchgesetzt werden darf.  

Sachverhalt:   

Die in Irland ansässige Facebook Ireland Limited (im Folgenden: Facebook) betreibt in Europa das soziale Netzwerk Facebook, mit dem privaten Nutzern eine Kommunikationsplattform im Internet zur Verfügung gestellt wird. Weitere Tochtergesellschaften des Facebook-Konzerns bieten weitere Internetdienste wie insbesondere Instagram, WhatsApp, Masquerade und Oculus an.

Private Nutzer zahlen kein Entgelt für die Nutzung des sozialen Netzwerks. Ihre Teilnahme am Netzwerk setzt aber voraus, dass sie bei der Registrierung den Facebook-Nutzungsbedingungen zustimmen. Diese sehen vor, dass Facebook jedem Nutzer ein personalisiertes Erlebnis bereitstellt. Dafür werden personenbezogene Daten des Nutzers verwendet, die Facebook aus der Nutzung anderer konzerneigener Dienste wie Instagram sowie aus sonstigen Internetaktivitäten des Nutzers außerhalb von facebook.com zur Verfügung stehen. Die Nutzungsbedingungen nehmen auf eine Datenrichtlinie Bezug, in der die Erhebung und Nutzung personenbezogener Daten näher erläutert wird.

Das Netzwerk wird durch Online-Werbung finanziert. Hierzu kann zum einen Werbung auf Facebook-Seiten platziert werden. Mit verschiedenen von Facebook bereitgestellten Programmierschnittstellen („Facebook Business Tools“) können Unternehmen zum anderen eigene Internetseiten oder Anwendungen für Mobilgeräte (Apps) in vielfältiger Form mit Facebook-Seiten verbinden. So können Facebook-Nutzer über Plugins ihr Interesse an diesen Seiten oder bestimmten Inhalten bekunden („Gefällt-mir-Button“ oder „Teilen-Button“) oder Kommentare abgeben und sich über ein „Facebook-Login“ auf Interseiten Dritter mit ihren bei Facebook registrierten Nutzerdaten einwählen. Über von Facebook angebotene Mess- und Analysefunktionen und -programme kann der Erfolg der Werbung eines Unternehmens gemessen und analysiert werden. Dabei wird nicht nur das Verhalten der privaten Nutzer auf Facebook-Seiten erfasst, sondern über entsprechende Schnittstellen (Facebook Pixel) auch der Aufruf von Drittseiten, ohne dass der Nutzer hierfür aktiv werden muss. Über die analytischen und statistischen Funktionen von „Facebook Analytics“ erhalten Unternehmen aggregierte Daten darüber, wie Facebook-Nutzer über verschiedene Geräte, Plattformen und Internetseiten hinweg mit den von ihnen angebotenen Diensten interagieren.

bisheriger Verfahrensverlauf:   

Das Bundeskartellamt sieht in der Verwendung der Nutzungsbedingungen einen Verstoß gegen das Verbot nach § 19 Abs. 1 GWB, eine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich auszunutzen. Facebook sei auf dem nationalen Markt der Bereitstellung sozialer Netzwerke marktbeherrschend. Es missbrauche diese Stellung, indem es entgegen den Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) die private Nutzung des Netzwerks von seiner Befugnis abhängig mache, ohne weitere Einwilligung der Nutzer außerhalb von facebook.com generierte nutzer- und nutzergerätebezogene Daten mit den personenbezogenen Daten zu verknüpfen, die aus der Facebook-Nutzung selbst entstehen. Mit Beschluss vom 6. Februar 2019 hat das Bundeskartellamt Facebook und weiteren Konzerngesellschaften untersagt, entsprechende Nutzungsbedingungen zu verwenden und personenbezogene Daten entsprechend zu verarbeiten.  

Das OLG Düsseldorf hat über die dagegen eingelegte Beschwerde noch nicht entschieden. Es hat aber auf Antrag von Facebook nach § 65 Abs. 3 GWB wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung die aufschiebende Wirkung der Beschwerde angeordnet. Eine solche Anordnung hat zur Folge, dass die Verfügung des Bundeskartellamts nicht vollzogen werden darf, bis über die Beschwerde entschieden ist.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:  

Der Kartellsenat hat die Entscheidung des OLG Düsseldorf aufgehoben und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde abgelehnt.

Es bestehen weder ernsthafte Zweifel an der marktbeherrschenden Stellung von Facebook auf dem deutschen Markt für soziale Netzwerke noch daran, dass Facebook diese marktbeherrschende Stellung mit den vom Kartellamt untersagten Nutzungsbedingungen missbräuchlich ausnutzt.  

Maßgeblich hierfür ist nicht die vom Kartellamt in der angefochtenen Verfügung in den Vordergrund gerückte Frage, ob die Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten der Facebook-Nutzer, die aus deren Nutzung des Internets außerhalb von facebook.com und unabhängig von einem Facebook-Login entstehen, mit den Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung in Einklang steht.

Entscheidend ist vielmehr, dass Nutzungsbedingungen missbräuchlich sind, die den privaten Facebook-Nutzern keine Wahlmöglichkeit lassen,

– ob sie das Netzwerk mit einer intensiveren Personalisierung des Nutzungserlebnisses verwenden wollen, die mit einem potentiell unbeschränkten Zugriff auf Charakteristika auch ihrer „Off-Facebook“-Internetnutzung durch Facebook verbunden ist, oder  

– ob sie sich nur mit einer Personalisierung einverstanden erklären wollen, die auf den Daten beruht, die sie auf facebook.com selbst preisgeben.

Das Missbrauchsurteil – das nach gefestigter Rechtsprechung sowohl die Feststellung nachteiliger Wirkungen auf den betroffenen Märkten voraussetzt als auch eine Abwägung aller beteiligten Interessen erfordert, die sich an der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Funktion des GWB orientiert – beruht dabei im Wesentlichen auf folgenden Überlegungen:

Facebook ist als Betreiber eines sozialen Netzwerks auf zwei Märkten tätig. Es bietet zum einen privaten Nutzern die Plattform als Medium zur Darstellung der Person des Nutzers in ihren sozialen Beziehungen und zur Kommunikation an. Es ermöglicht zum anderen Unternehmen Werbung im Netzwerk und finanziert damit auch die Nutzerplattform, für deren Nutzung die Nutzer kein (monetäres) Entgelt zahlen. Indem Facebook seinen Nutzern personalisierte Erlebnisse und damit über die bloße Plattformfunktion hinaus Kommunikationsinhalte bereitzustellen verspricht, ergeben sich allerdings fließende Übergänge und Verschränkungen zwischen Leistungen gegenüber den Nutzern und der Refinanzierung der Plattformbereitstellung durch unterschiedliche Formen der Online-Werbung.

Als marktbeherrschender Netzwerkbetreiber trägt Facebook eine besondere Verantwortung für die Aufrechterhaltung des noch bestehenden Wettbewerbs auf dem Markt sozialer Netzwerke. Dabei ist auch die hohe Bedeutung zu berücksichtigen, die dem Zugriff auf Daten aus ökonomischer Perspektive zukommt.

Die fehlende Wahlmöglichkeit der Facebook-Nutzer beeinträchtigt nicht nur ihre persönliche Autonomie und die Wahrung ihres – auch durch die DSGVO geschützten – Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Vor dem Hintergrund der hohen Wechselhürden, die für die Nutzer des Netzwerks bestehen („Lock-in-Effekte“), stellt sie vielmehr auch eine kartellrechtlich relevante Ausbeutung der Nutzer dar, weil der Wettbewerb wegen der marktbeherrschenden Stellung von Facebook seine Kontrollfunktion nicht mehr wirksam ausüben kann. Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts wünschen erhebliche Teile der privaten Facebook-Nutzer einen geringeren Umfang der Preisgabe persönlicher Daten. Bei funktionierendem Wettbewerb auf dem Markt sozialer Netzwerke wäre ein entsprechendes Angebot zu erwarten. Hierauf könnten Nutzer ausweichen, für die der Umfang der Datenpreisgabe ein wesentliches Entscheidungskriterium wäre.

Die so ausgestalteten Nutzungsbedingungen sind auch geeignet, den Wettbewerb zu behindern. Zwar ist die Marktstellung von Facebook in erster Linie durch direkte Netzwerkeeffekte geprägt, da der Nutzen des Netzwerks für die privaten Nutzer wie für die werbetreibenden Unternehmen mit der Gesamtzahl der dem Netzwerk angeschlossenen Personen steigt. Die Marktposition von Facebook kann auch nur dann erfolgreich angegriffen werden, wenn es einem Konkurrenten gelingt, in überschaubarer Zeit eine für die Attraktivität des Netzes ausreichende Zahl von Nutzern zu gewinnen. Jedoch handelt es sich bei dem Zugang zu Daten nicht nur auf dem Werbemarkt um einen wesentlichen Wettbewerbsparameter, sondern auch auf dem Markt sozialer Netzwerke. Der Zugang von Facebook zu einer erheblich größeren Datenbasis verstärkt die ohnehin schon ausgeprägten „Lock-in-Effekte“ weiter. Außerdem verbessert diese größere Datenbasis die Möglichkeiten der Finanzierung des sozialen Netzwerks mit den Erlösen aus Werbeverträgen, die ebenfalls von Umfang und Qualität der zur Verfügung stehenden Daten abhängen. Wegen der negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb um Werbeverträge lässt sich schließlich auch eine Beeinträchtigung des Marktes für Online-Werbung nicht ausschließen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts bedarf es insoweit keiner Feststellung, dass es einen eigenständigen Markt für Online-Werbung für soziale Medien gibt und Facebook auch auf diesem Markt über eine marktbeherrschende Stellung verfügt. Die Beeinträchtigung muss nicht auf dem beherrschten Markt eintreten, sondern kann auch auf einem nicht beherrschten Drittmarkt eintreten.

Vorinstanz:   

OLG Düsseldorf – Beschluss vom 26. August 2019 – VI-Kart 1/19 (V), WRP 2019, 1333

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:   

Relevante Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB):  

§ 19 Verbotenes Verhalten von marktbeherrschenden Unternehmen  

(1)Die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.



§ 65 Anordnung der sofortigen Vollziehung  



(3) 1Auf Antrag kann das Beschwerdegericht die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn  

1.die Voraussetzungen für die Anordnung nach Absatz 1 nicht vorgelegen haben oder nicht mehr vorliegen oder

2.ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bestehen oder

3.die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

2In den Fällen, in denen die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat, kann die Kartellbehörde die Vollziehung aussetzen; die Aussetzung soll erfolgen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 vorliegen. 3Das Beschwerdegericht kann auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 2 oder 3 vorliegen.

KVR 69/19 – Beschluss vom 23. Juni 2020  
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs

Die Berufsfeuerwehr München darf Fotos von ihren Einsätzen anfertigen und der Presse auf einem Internetportal gegen eine Aufwandsentschädigung von 25 € anbieten. Eine kartellrechtliche Unterlassungsklage eines Fotojournalisten gegen die Landeshauptstadt München wurde abgewiesen. Auch die Verbreitung der Fotoaufnahmen durch die Feuerwehr in den sozialen Medien ist nicht zu beanstanden.

LG München I, Urteil vom 24. April 2020 – 37 O 4665/19

Facebook muss eine automatisch und ohne Zustimmung des jeweiligen Unternehmens bzw. Betroffenen generierte Facebook-Seite löschen. Insofern liegt ein rechtswidriger Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bzw. ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor. 

LG Hamburg, 12. Zivilkammer, Urteil vom 13. Februar 2020, 312 O 372/18

Die Nutzungsbedingungen in einem sozialen Netzwerk können durch Anklicken eines Buttons in einem „Pop-Up“-Fenster wirksam werden. Eine solche Zustimmung ist auch nicht sittenwidrig, wenn nur die Alternative besteht, das Nutzungsverhältnis zu beenden, wenn keine Zustimmung gegeben wird.

OLG Dresden, Beschluss vom 19. November 2019, 4 U 1471/19

Falsche Tatsachenbehauptungen versus Meinungsfreiheit:

Art. 5 des Grundgesetzes erlaubt auch harte Kritik. Beleidigungen oder Verleumdungen können jedoch teuer werden. Es ist ein Unterschied, ob man behauptet, ein Restaurant serviere Tiefkühlkost, oder die Pizza habe einfach nicht geschmeckt. Eine strafbare Beleidigung kann es sogar darstellen, seinen Arbeitgeber als „Menschenschinder“ oder „Ausbeuter“ zu brandmarken. Dies rechtfertigt in jedem Fall eine fristlose Kündigung.

LAG Hamm, 3 Sa 644/12

Auch das Verraten von Betriebsgeheimnissen rechtfertigt eine fristlose Kündigung.

LAG Rheinland-Pfalz, 6 Sa 278/11

Ein Arztbewertungsportal darf hingegen Ärzte auch gegen ihren Willen in einer Liste aufführen und bewerten.

BGH, VI ZR 358/13

Das gilt zumindest solange, wie das Bewertungsportal die Rolle eines neutralen Informationsvermittlers einnimmt. Gibt es hingegen seine Neutralität auf, kann der Arzt sich gegen ohne seinen Willen erstellte Profile wehren. Das ist etwa dann der Fall, wenn das kostenfreie Portal „Jameda“ Werbung für einen anderen Arzt anzeigt.

BGH, VI ZR 30/17

Bewertungsportale wie „Yelp“ dürfen Kundenbewertungen von Hotels, Restaurants oder Fitness-Studios automatisiert in „empfohlen“ oder „nicht empfohlen“ eingruppieren.

BGH, VI ZR 496/18

Auch Kinder haben Rechte. Ein niedersächsischer Vater durfte das Lichtbild seiner kleinen Tochter nicht auf Facebook veröffentlichen. Obwohl die Großmutter mütterlicherseits das alleinige Sorgerecht besaß, veröffentlichte er das Foto ohne deren Erlaubnis. Das Amtsgericht Hannover verurteilte ihn deshalb zu einer Geldstrafe von € 1.600,-.

AG Hannover, 244 Ds 228/19

Nach Auffassung des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs können soziale Netzwerke wie „Facebook“ auch Wiederholungen bereits beanstandeter Hasskommentare weltweit herausfiltern. Auch sinngleiche Beleidigungen, deren Rechtswidrigkeit bereits vorgerichtlich festgestellt wurde, müssten umgehend entfernt werden. Ob die Persönlichkeitsrechte tatsächlich den Vorrang vor der beanspruchten Meinungsfreiheit genießen, wird der Europäische Gerichtshof erst in wenigen Monaten endgültig entscheiden.

 

EuGH, C-18/18